Reisen ist in seiner modernen massenhaften Verbreitung als boomender Zweig der Volkswirtschaften nicht nur ein Gegenstand der Freizeitsoziologie, sondern - denken wir z. B. an die Odyssee - ein uralter und immerwiederkehrender Topos unserer Literatur von ihren Anfängen an. Und gerade auch das Werk Peter Roseis ist ohne das Reisen nicht denkbar: immerhin heißt einer seiner frühen Titel programmatisch Von Hier nach Dort.
Wenn Rosei in seinen Prosastücken - die Grenzen zum Essay sind fließend - von der Reise spricht, dann meint das einen existenziellen Zustand, eine Befindlichkeit, die mit Risiko, Veränderung, Neugier auf Unbekanntes und höchster Intensität zu tun hat. Reisen durch Rußland, durch Transsilvanien, durch Kreta veranschaulichen sein Programm: punktgenaue Impressionen von scharfem Verstand und hellster Sehnsucht.
Roseis Thema ist das Reisen als Lebensform, die nicht zufällig mit der Literatur Hand in Hand geht (siehe die Geistesverwandten und Kronzeugen Bruce Cha twin oder Raoul Schrott), und er schreibt darüber wie über eine "Poesie der Zukunft". So kulminiert das Nachdenken über die Bedingungen des Reisens im wohl schönsten Text des Bandes, "Am Abend vor der Reise", der sich ganz der Süße der nervösen Erwartung ausliefert.